Geschlechtertrennung an britischen Universitäten

Peter Rásonyi, London

Gutgemeinte liberale Regulierungen können auch das Gegenteil freiheitlicher Ordnungen bewirken. Diese Lehre musste am Freitag Universities UK, der Verband der Universitäten in Grossbritannien, ziehen. Dessen Chefin, Nicola Dandridge, hat eine Empfehlung des Verbands an die Universitätsleitungen zurückgezogen, die sie erst drei Wochen zuvor publiziert hatte. In dem 42 Seiten dicken Bericht hatte der Verband empfohlen, das Publikum bei öffentlichen Gastvorlesungen an Universitäten nach Geschlechtern zu trennen, sofern der Gastredner dies verlange und er dafür glaubwürdige religiöse Motive angeben könne. Als Grund wurden rechtliche Erwägungen angegeben: Die Redefreiheit des Referenten dürfe nicht rechtswidrig eingeschränkt werden.

Der Verband reagierte mit dem als Hilfestellung gemeinten Bericht auf eine Praxis, die an britischen Universitäten zunehmend Raum gegriffen und zu Konflikten geführt hatte. Wenn muslimische Gastredner das forderten, wurden Studenten in sich häufenden Fällen von Universitätsverwaltungen dazu aufgefordert, sich nach Geschlechtern getrennt im Saal zu setzen. Diese surreale Bevormundung wollten einzelne Studentinnen nicht auf sich sitzen lassen. Etwa hundert Studentinnen demonstrierten am Dienstagabend am Sitz von Universities UK in London gegen die «Geschlechter-Apartheid».

Der Rückzieher der Universitäten erfolgte erst, als der wirtschaftspolitische Sprecher Labours, Umunna, am Donnerstag klarmachte, seine Partei werde eine Geschlechtertrennung an Universitäten nicht tolerieren, sobald sie an die Macht zurückgekehrt sei. «Das verletzt grundlegende Normen unserer Gesellschaft», erklärte er. Am Freitag sprangen der konservative Bildungsminister Gove sowie Premierminister Cameron auf den Zug auf. Letzterer liess durch einen Sprecher mitteilen, er glaube nicht, dass Gastrednern erlaubt werden sollte, sich an ein nach Geschlechtern getrenntes Publikum zu wenden. Unklar ist, in welcher rechtlichen Form diese Neue Selbstverständlichkeit sichergestellt werden könnte.

Neue Zürcher Zeitung, Samstag, 14. Dezember 2013


Grosse Sünde

Kein Beten während der Theatervorstellung

Aldo Keel Das «Staatstheater» ist eine Tourneebühne, die auch in Norwegens entlegensten Kommunen auftritt. Die Gemeinde Kvinesdal, in der diese Bühne demnächst mit dem Stück «Volksherrschaft 2014» gastieren wird, hat vorsorglich ein Gebetsverbot während der Aufführung verhängt. «Musst du beten, erledige das vorher, oder warte bis nach der Vorstellung», rät der kommunale Kulturchef frommen Menschen in der Zeitung «Agder». Der Besuch dieser Produktion, die sich mit dem 200. Jahrestag der norwegischen Verfassung befasst, wird auch Einwanderern nachdrücklich empfohlen. Als das Staatstheater zum letzten Mal in Kvinesdal aufgetreten sei – so erzählt der Kulturchef den lokalen Medien –, habe eine Gruppe von zwanzig muslimischen Einwanderern den Saal während der Vorstellung verlassen. Zunächst habe er Sprachschwierigkeiten als Ursache des geräuschvollen Auszugs vermutet, dann habe er aber beobachtet, wie die Männer Teppiche entrollt und gebetet hätten. Anschliessend seien sie in den Saal zurückgekehrt. Das habe Unruhe bewirkt und die Schauspieler aus dem Konzept gebracht. Eine Sprecherin des nationalen Ombudsamtes für Gleichstellungs- und Diskriminierungsfragen gibt der Gemeinde Rückendeckung, meint aber, das Verbot sei missverständlich formuliert. Nicht das Gebet sei Stein des Anstosses, sondern der Lärm, den die Betwilligen auf dem Weg zum und vom Gebet verursachten. Man dürfe von ihnen durchaus Rücksichtnahme auf die anderen Zuschauer erwarten. Anderer Ansicht ist ein Sprecher der Muslimischen Union Agder, der gegenüber dem Radio erklärte, besser wäre es, den Vorstellungsbeginn zu verschieben oder während der Aufführung eine Gebetspause einzulegen. Das Pflichtgebet zu versäumen, sei eine grosse Sünde.

Seite 46, FEUILLETON, Neue Zürcher Zeitung, Mittwoch, 26. März 2014 Nr. 71