Polachsenbestimmung eines parallaktisch montierten Teleskops
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mittels polnahem Stern
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Wir betrachten die Tangentialebene am Himmelsnordpol NP. Der
Zielpunkt der Stundenachse (≡Teleskoppol) liege bei TP.
Zu Beginn der Beobachtung (Zeit t = 0) werde ein polnaher Stern im
Fadenkreuz zentriert, außerdem werden die Achsen des Fadenkreuzes
parallel zum Horizont bzw. zum Nord-Süd-Meridian ausgerichtet, so
daß die X-Achse nach rechts und die Y-Achse nach oben (in Richtung
Zenit) weise.
Man läßt nun das Teleskop eine Weile mit dem Stundenantrieb
laufen. Nachdem die Zeit T verstrichen ist, haben sich der Stern
um den Nordpol und das Fadenkreuz um den Teleskoppol um einen T
entsprechenden Winkel gedreht.
Das zum Zeitpunkt t = 0 mit Hilfe des Fadenkreuzes definierte
X-Y-System sei die Basis zum Beschreiben von Vektoren. Wir
notieren dazu zusammenfassend folgende Punkte:
NP : Himmelsnordpol
TP : Teleskoppol
Fo : Fadenkreuzzentrum zur Zeit t = 0
Ft : Fadenkreuzzentrum zur Zeit t = T
So : Stern zur Zeit t = 0
St : Stern zur Zeit t = T
Zu beachten ist, daß bei fehlerfreier Zentrierung des Sterns im
Fadenkreuz zur Zeit t = 0 die Punkte Fo und So identisch sind.
Wir definieren nun mit Hilfe der soeben notierten Punkte folgende
Vektoren, deren Komponenten im oben erklärten X-Y-System gegeben
seien, (dabei bezeichnen wir mit "A -> B" einen Vektor vom Punkt A
zum Punkt B):
XT = NP -> TP : Teleskoppol relativ zum Nordpol
XSo = NP -> So : Stern relativ zum Nordpol für t=0
XSt = NP -> St : Stern relativ zum Nordpol für t=T
XFo = TP -> Fo : Fadenkreuz relativ zum Teleskoppol für t = 0
XFt = TP -> Ft : Fadenkreuz relativ zum Teleskoppol für t = T
XSFo = Fo -> So : Stern relativ zum Fadenkreuzzentrum Fo für
t = 0.
XSFt = Ft- > St : Stern relativ zum Fadenkreuzzentrum Ft für
t = T. Die Komponenten von XSFt sind
identisch den Koordinaten von St bezogen auf
das mitbewegte, aber NICHT MITGEDREHTE
Fadenkreuz mit Zentrum Ft!
XSFt'= Ft -> St : Stern relativ zum Fadenkreuzzentrum Ft, im
Unterschied zu XSFt beziehen sich die Kom-
ponenten von XSFt' jedoch auf das mitbewegte
und MITGEDREHTE Fadenkreuz mit Zentrum Ft!
Die aufgeführten Vektoren seien also in Komponentendarstellung
gegeben. Wir können mit Hilfe einer Drehmatrix MD die Kompo-
nenten des Vektors XSFt' in die des Vektors XSFt transformieren.
Dazu schreiben wir die Matrix MD auf:
┌ ┐
│ cos(T) -sin(T) │
MD = │ │
│ sin(T) cos(T) │
└ ┘ ,
und damit wird:
XSFt = MD∙XSFt' . (1)
Wir führen die Herleitung der Teleskoppolbestimmung in
Vektorschreibweise aus, dabei haben wir die folgenden einfachen
Beziehungen:
XT + XFo + XSFo = XSo bzw.
(2)
XSo - XFo = XSFo + XT ( für t=0) und
XT + XFt + XSFt = XSt ( für t=T) . (3)
Da aber XFt und XSt durch Drehung um den T entsprechenden Winkel
aus XFo und XSo hervorgehen, haben wir mit unserer Drehmatrix MD
die beiden folgenden Gleichungen:
XFt = MD∙XFo (4)
XSt = MD∙XSo . (5)
(4) und (5) in (3) eingesetzt ergibt:
XT + MD∙XFo + XSFt = MD∙XSo bzw. (6)
XSFt = MD∙(XSo - XFo) - XT . (7)
Mit (2) können wir noch XSo - XFo in (7) ersetzen und erhalten:
XSFt = MD∙(XSFo + XT) - XT (8)
= MD ∙ XSFo + (MD - E)∙XT ,
dabei stellt E die Einheitsmatrix dar.
Da wir nach Ablauf der Zeit T die Lage des Sterns
zweckmäßigerweise im mitgedrehten Fadenkreuz messen, das sind die
Komponenten des Vektors XSFt', ersetzen wir in (8) XSFt mittels
der Gleichung (1):
MD ∙ XSFt' = MD∙XSFo + (MD - E)∙XT . (9)
Multiplizieren wir diese Gleichung von links mit der Kehrmatrix zu
MD: IMD, so erhalten wir schließlich
XSFt' = XSFo + (E - IMD)∙XT = XSFo + MT∙XT , (10)
mit der nur von T abhängigen Matrix MT. Da IMD nichts weiter als
die transponierte von MD ist, können wir MT sofort explizit
hinschreiben:
┌ ┐
│ 1-cos(T) -sin(T) │
MT = │ │ (11)
│ sin(T) 1-cos(T) │
└ ┘ ,
und mit der Relation 1-cos(T) = 2sin²(T/2):
┌ ┐
│ 2sin²(T/2) -sin(T) │
MT = │ │ (12)
│ sin(T) 2sin²(T/2) │
└ ┘ .
Wir wollen nun die Gleichungen für die Ausgleichsrechnung nach der
Methode der kleinsten Quadrate aufschreiben.
Die Gleichung (10) ist Ausgangspunkt. Zu Zeitpunkten Ti, i=1,k
werden die Lagen Xi',Yi' relativ zum sich mit dem Teleskop
drehenden Fadenkreuz gemessen. Führen wir zugleich die
scheinbaren Fehler V in unsere Gleichung mit ein, so lauten sie
für ein Meßwertepaar:
XSFt' = XSFo + MT∙XT + V . (13)
Für k Meßwertepaare sehen die Gleichungen (13) ausführlich
geschrieben folgendermaßen aus, dabei ist die Zahl der Gleichungen
N = 2k:
(14)
┌ ┐ ┌ ┐ ┌ ┐
│ X'1 │ │ 1 0 2sin²(T1/2) -sin(T1) │ │ V1 │
│ Y'1 │ │ 0 1 sin(T1) 2sin²(T1/2) │ │ V2 │
│ . │ │ . . . . │ ┌ ┐ │ . │
│ . │ │ . . . . │ │ XSFox │ │ . │
│ . │ │ . . . . │ │ │ │ . │
│ . │ │ . . . . │ │ XFSoy │ │ . │
│ . │ = │ . . . . │∙│ │+│ . │
│ . │ │ . . . . │ │ XTx │ │ . │
│ . │ │ . . . . │ │ │ │ . │
│ . │ │ . . . . │ │ XTy │ │ . │
│ . │ │ . . . . │ └ ┘ │ . │
│ X'k │ │ 1 0 2sin²(Tk/2) -sin(Tk) │ │ VN-1 │
│ Y'k │ │ 0 1 sin(Tk) 2sin²(Tk/2) │ │ VN │
└ ┘ └ ┘ └ ┘
,
oder als Matrizengleichung geschrieben:
Z' = F∙XA + V . (15)
Mit einem Ausgleichsprogramm kann man (15) leicht nach dem
gesuchten Lösungsvektor XA einschließlich der zugehörigen Ko-
varianzmatrix CXA lösen.
Die Komponenten des gesuchten Vektors XA beziehen sich dabei auf
das anfangs zum Zeitpunkt t = 0 definierte X-Y-System. Ist z.B.
zur Uhrzeit tdef das Fadenkreuz horizontparallel, und finden die
Messungen Xi,Yi bei den Uhrzeiten ti statt, so ist für die in den
Gleichungen (14) auftretenden Ti zu setzen
Ti = ti - tdef (16)
damit XT sich auf das horizontparallele Koordinatensystem bezieht.
Zum Schluß geben wir noch eine explizite Lösung für den Fall genau
zweier Messungen an. Die erste Messung besteht darin, daß zum
Zeitpunkt T1=0 der Stern zentriert werde:
T1 = 0 , X'1 = 0 , Y'1 = 0 , (17)
und die zweite Messung sei bei T2 mit den Meßwerten X'2, Y'2
durchgeführt worden. Die Streuungen aller vier Meßwerte seien
gleich σ(X';Y'). Dann ergibt sich als Lösung: