Die Krümmung eine Kurve im Rⁿ
                        ▀▀▀▀▀▀▀▀▀▀▀▀▀▀▀▀▀▀▀▀▀▀▀▀▀▀▀▀▀

      Gegeben sei eine zweimal stetig differenzierbare Kurve im Rⁿ in
      Parameterdarstellung in kartesischen Koordinaten:

                  ┌       ┐
                  │ x1(t) │
                  │   ∙   │
          X(t) := │   ∙   │  .                                       (1)
                  │   ∙   │
                  │ xn(t) │
                  └       ┘

      Bevor wir zur Krümmung kommen, zunächst einige Vorbemerkungen über
      Tangentenvektor und Kurvenlänge.

      Der Tangentenvektor T wird duch die erste Ableitung von X nach dem
      Parameter t beschrieben:

                         ┌ .     ┐
                         │ x1(t) │
                  .      │   ∙   │
          T(t) := X(t) = │   ∙   │  .                                (2)
                         │ . ∙   │
                         │ xn(t) │
                         └       ┘

      Die Länge s(t) der Kurve sei eine streng monotone Funktion des
      Parameters t. Für die Länge eines kleinen Sehnenstücks ⌂s über den
      zugehörigen Parameterabschnitt ⌂t gilt:

                n
          ⌂s² = Σ ⌂xi² ,                                             (3)
               i=1

          ⌂s²    n  ┌ ⌂xi ┐2
          ─── =  Σ  │ ─── │  ,                                       (4)
          ⌂t²   i=1 └ ⌂t  ┘

               ┌              ┐½
               │  n  ┌ ⌂xi ┐2 │
          ⌂s = │  Σ  │ ─── │  │ ∙⌂t ,                                (5)
               │ i=1 └ ⌂t  ┘  │
               └              ┘

      so daß wir beim Grenzübergang für ⌂t --> 0 den folgenden
      Differentialausdruck erhalten:

               ┌              ┐½
               │  n  ┌ dxi ┐2 │        .
          ds = │  Σ  │ ─── │  │ ∙dt = |X|∙dt = |T|∙dt .              (6)
               │ i=1 └ dt  ┘  │
               └              ┘

      Nebenbei bemerkt ergibt sich die Länge s(t) der Kurve zwischen den
      Parametern t0 und t durch Integration von (6):

          ┌─────────────────┐
          │        t        │
          │        ⌠  .     │
          │ s(t) = │ |X|∙dt │                                        (7)
          │        ⌡        │
          │        t0       │
          └─────────────────┘  .

      Kommen wir nun zur Krümmung der Kurve.  Drückt man die Änderung
      der Richtung des Tangentenvektors über die Länge ⌂s durch den
      Winkel ⌂α aus, also der Winkel zwischen T(s) und T(s+⌂s), so
      können wir dieses auch durch

                               ⌂α
          ⌂α = K∙⌂s  bzw.  K = ──                                    (8)
                               ⌂s

      beschreiben und nennen K im Grenzfall ⌂s --> 0 die Krümmung der
      Kurve.  Im Grenzfall kann man unter dem Kehrwert von K auch den
      Radius des Kreises verstehen, der durch die Tangentenvektoren T(s)
      und T(s+⌂s), ⌂s --> 0, definiert wird, also den Radius des
      Kreises, der die Kurve oskuliert.  Der Vorteil der Definition von
      K ist jedoch, daß auch Kurven mit Krümmung null beschrieben werden
      können.

      Um die Krümmung an der Stelle t zu erhalten, müssen wir also den
      Grenzübergang ⌂s --> 0 durchführen:

                      ⌂α   dα
          K :=  lim   ── = ──  ,                                     (9)
               ⌂s-->0 ⌂s   ds

          ┌───────────────────┐
          │      dα           │
          │ K := ──  Krümmung │                                     (10)
          │      ds           │
          └───────────────────┘  .

      Wie ergibt sich der Winkel dα?  Im folgenden werde ich nicht mehr
      unterscheiden zwischen der Differenz ⌂ und dem Differential d
      sondern immer gleich d statt ⌂ schreiben.  Normieren wir den
      Tangentenvektor:

                 T
          Tn := ───  .                                              (11)
                |T|

      Die Ableitung von Tn nach t sei der Vektor A:

                                     .         d|T|
                             ┌   ┐   T∙|T| - T∙────
               .    dTn    d │ T │              dt
          A := Tn = ─── = ── │───│ = ───────────────  .             (12)
                    dt    dt │|T|│           2
                             └   ┘        |T|

      Da

                ┌  2 ┐½
          |T| ≡ │ T  │   ,                                          (13)
                └    ┘

       ergibt die Ableitung von |T|:

                    .
          d|T|    T∙T
          ──── = ─────  ,                                           (14)
           dt     |T|

      eingesetzt in (12) folgt also:

                          .
              .         T∙T
              T∙|T| - T∙───
                        |T|
          A = ─────────────   .                                     (15)
                      2
                   |T|

      Da Tn ein Einheitvektor ist, muß der Vektor A, der ja die
      Ableitung von Tn ist, orthogonal zu Tn sein. Daher muß gelten:

                dα
          |A| = ──  .                                               (16)
                dt

      Würde man die Länge s als Parameter benutzen und den
      Tangentenvektor als Ableitung von X nach s betrachten, so hätte
      der den Betrag 1, wäre also identisch mit Tn.  Die Ableitung von
      Tn nach s wäre ein Vektor orthogonal zu Tn, und daher würde
      gelten:

         │dTn│   dα       dα dt       dt   |A|
         │───│ = ── = K = ──∙── = |A|∙── = ───  (mit (6)) .         (17)
         │ds │   ds       dt ds       ds   |T|

      Bestimmen wir |A|:
                          ┌                           ┐½
                          │  2 .2        . 2      . 2 │
                ┌  2 ┐½   │ T ∙T  - 2∙(T∙T)  + (T∙T)  │
          |A| = │ A  │  = │ ───────────────────────── │  ,
                └    ┘    │              4            │
                          │           |T|             │
                          └                           ┘

                ┌                 ┐½
                │  2 .2      . 2  │
                │ T ∙T  - (T∙T)   │
          |A| = │ ─────────────── │  ,                              (18)
                │          4      │
                │       |T|       │
                └                 ┘

      so daß mit (17) wir schließlich für die Krümmung K erhalten:

              ┌                 ┐½
              │  2 .2      . 2  │
              │ T ∙T  - (T∙T)   │
          K = │ ─────────────── │  .                                (19)
              │          6      │
              │       |T|       │
              └                 ┘

                                .     .       ..
      Ersetzen wir noch T durch X und T durch X , so haben wir endlich:

          ┌───────────────────────────┐
          │     ┌                  ┐½ │
          │     │ .2 ..2    . .. 2 │  │
          │     │ X ∙X   - (X∙X )  │  │
          │ K = │ ──────────────── │  │                             (20)
          │     │      ┌ .2 ┐3     │  │
          │     │      │ X  │      │  │
          │     └      └    ┘      ┘  │
          └───────────────────────────┘  .

      Leider ist diese Formel etwas kompliziert, aber eine einfachere
      ist nicht bekannt.  Bestimmen wir als einfaches Beispiel die
      Krümmung eines Kreises vom Radius R in der Ebene, sei z. B.  der
      Kreis gegeben durch:

                   ┌          ┐
                   │ cos(Ω∙t) │
          X(t) = R∙│          │  ,                                  (21)
                   │ sin(Ω∙t) │
                   └          ┘

      es folgt:

                     ┌           ┐                  ┌           ┐
          .          │ -sin(Ω∙t) │     ..       2   │ -cos(Ω∙t) │
          X(t) = Ω∙R∙│           │  ,  X (t) = Ω ∙R∙│           │ , (22)
                     │  cos(Ω∙t) │                  │ -sin(Ω∙t) │
                     └           ┘                  └           ┘

          .2    2  2    ..2    4  2    . ..
          X  = Ω ∙R  ,  X   = Ω ∙R  ,  X∙X  = 0  ,  es folgt nach (20):

             ┌  6  4 ┐½
             │ Ω ∙R  │    1
          K =│───────│  = ─  .                                      (23)
             │  6  6 │    R
             └ Ω ∙R  ┘

      Man sieht daran, daß die Krümmung K der reziproke Krümmungsradius
      der Kurve an der Stelle X(t) ist.