Das Dynamische-Leiter-Problem
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An einer senkrechten Wand ist eine Leiter der Länge 2∙l gelehnt,
der Boden, auf dem sie steht, sei waagerecht. Man stelle sich die
Leiter als eine gleichmäßig mit Masse belegte Gerade vor. Die
Leiter sei entlang der beiden Berührungspunkte reibungsfrei
verschiebbar und bleibe stets in Kontakt mit Wand und Boden. Man
bestimme eine Bewegungsgleichung.
Die folgende Skizze verdeutliche den Sachverhalt:
▲ Die Länge der Leiter sei 2∙l.
│
Y ┼ Die Masse m der Leiter sei
│• gleichmäßig entlang ihrer Länge
│ • verteilt. (Schwerpunkt S in Mitte.)
│ • l
│ • Die Leiter berühre reibungsfrei die
│ • m x- und y-Achse bei den Punkten X,Y;
Y/2┼∙∙∙∙∙♦S sie kann die Berührungspunkte X,Y
│ ∙∙• nicht verlassen (Zwangsführung).
│ ∙ ∙ •
│ ∙l ∙ • l Der Winkel Φ des Schwerpunktes S
│ ∙ ∙ • ist gleich dem Winkel zwischen der
│∙ Φ ∙ Φ • Leiter und der negativen Richtung
0 ┼─────┼─────┼─────► der x-Achse.
0 X/2 X
Die Bewegung des Schwerpunktes S erfolgt offenbar auf einem Kreis
mit Radius l um den Ursprung. Daher können wir zwei Bewegungen
betrachten, und zwar einerseits die Bewegung des Schwerpunktes S
(Masse m) auf dem Kreis und andererseits die Drehbewegung der
Leiter (Trägheitsmoment Θl) um ihren Schwerpunkt S.
Das Trägheitsmoment Θs der Masse m bezogen auf den Ursprung ist:
2
Θs = m∙l .
Das Trägheitsmoment Θl der Leiter bezogen auf ihren Schwerpunkt S
ist ('unendlich' dünner Stab):
2
m∙l
Θl = ─── .
6
Bei der Bewegung der Leiter, also bei der zeitlichen Änderung des
Winkels Φ, wirken beide Trägheitsmomente zusammen, man kann sie
deshalb addieren und wie ein Trägheitsmoment um den Ursprung
betrachten:
2
7∙m∙l
Θ = Θs + Θl = ────── .
6
Im Schwerpunkt S wirkt senkrecht die Erdanziehung mit der
Kraft F:
F = m∙g
mit g als Erdbeschleunigung, so daß die Kraftkomponente Ft
tangential zur Kreisbewegung des Schwerpunktes sich ergibt zu:
Ft = F∙cos(Φ) = m∙g∙cos(Φ) .
Damit wird auf S ein Drehmoment Mg ausgeübt (in Bezug auf den
Ursprung), nämlich:
Mg = Ft∙l = m∙g∙l∙cos(Φ) .
Aufgrund der Änderung der Winkelgeschwindigkeit dΦ/dt des Winkels
Φ reagiert das Trägheitsmoment Θ mit dem Drehmoment MΦ nach:
2
d²Φ 7∙m∙l d²Φ
MΦ = Θ∙─── = ──────∙─── ,
dt² 6 dt²
und es muß gelten:
MΦ + Mg = 0 ,
2
7∙m∙l d²Φ
──────∙─── + m∙g∙l∙cos(Φ) = 0 ,
6 dt²
┌──────────────────────┐
│ d²Φ 6∙g │
│ ─── + ───∙cos(Φ) = 0 │
│ dt² 7∙l │
└──────────────────────┘ .
Damit ist eine Bewegungsgleichung für Φ(t) gewonnen.
Führt man als neue Funktion:
Ω(t) := Φ(t) + π/2
ein, so geht die Differentialgleichung über in:
┌──────────────────────┐
│ d²Ω 6∙g │
│ ─── + ───∙sin(Ω) = 0 │
│ dt² 7∙l │
└──────────────────────┘ .
Diese Gleichung ist (bis auf die leicht veränderte Konstante) die
wohlbekannte Differentialgleichung des mathematischen Pendels.
Leider ist diese Gleichung nicht geschlossen lösbar, die Lösung
führt auf ein elliptisches Integral.