Axiomatik und Logik

Bemerkungen zur Axiomatik und Logik in Mathematik und Physik

Kurzvortrag, gbs-Hamburg 2014-07-10, Dr. Rolf Schröder

(geändert: )

Prolog

Axiom
Ein Axiom ist ein Grundaussage einer Theorie, einer Wissenschaft oder eines axiomatischen Systems, die innerhalb dieses Systems nicht begründet werden kann (altgriechisch άξιώματα, axiómata: würdiger, anerkannter Satz). Die Axiome eines Systems müssen widerspruchsfrei sein, die aus ihnen abgeleiteten Aussagen sollten nicht im Widerspruch zur Erfahrung stehen (u. a. Experiment!).
Axiomatik (Duden)
Lehre vom Definieren und Beweisen mit Hilfe von Axiomen.
Axiomatik, warum?
Sie dient dem Bestreben, eine Theorie aus möglichst wenigen, elementaren Grundaussagen logisch herzuleiten bzw. aufzubauen.
Logik (David Hilbert)
Die theoretische Logik, auch mathematische oder symbolische Logik genannt, ist eine Ausdehnung der formalen Methode der Mathematik auf das Gebiet der Logik. Sie wendet für die Logik eine ähnliche Formelsprache an, wie sie zum Ausdruck mathematischer Beziehungen schon seit langem gebräuchlich ist.
Aussagenlogik, Mathematische Logik, Klassische Logik
  1. Jede Aussage hat einen von genau zwei Wahrheitswerten, falsch oder wahr, „tertium non datur“.
  2. Der Wahrheitswert jeder zusammengesetzten Aussage ist eindeutig durch die Wahrheitswerte ihrer Teilaussagen bestimmt.
Wahrheit (nach Aristoteles ?)
Wahrheit ist Übereinstimmung von Gedanken und Wirklichkeit.
(Was ist mit Gedanken, was ist mit Wirklichkeit gemeint?)
Rolfs Wahrheit
Wahrheit ist das Empfinden der Übereinstimmung von Erfahrung mit (neuer) Beobachtetem oder Gedachtem (evolutionär bedingt).
Historisches zur Axiomatik
Der Begriff der Axiome ist sehr alt. Am bekanntesten dürfte wohl der Begriff durch „Euklids Elemente“ (um −300) geworden sein: Die „Euklidische Geometrie“ wird dort aus wenigen Axiomen hergeleitet und bewiesen.
Streit über Logik („Grundlagenkrise der Mathematik“)
Zu Begin des zwanzigsten Jahrhunderts (1903 – 1930) gab es eine Gruppe von Mathematikern, die sog. „Intuitionisten“ (Hauptvertreter: Luitzen E. J. Brouwer), die z. B. das „tertium non datur“ nicht gelten ließen – es führte zu einem heftigen Disput u. a. mit dem Hauptvertreter der „Formalisten“, David Hilbert, und wird als „Grundlagenkrise der Mathematik“ bezeichnet. Ende der 20er Jahre war der Streit zugunsten der Formalisten entschieden.
Eine erhebliche Konsequenz wäre u. a. gewesen, dass der sog. „Indirekte Beweis“ unzulässig wäre.

Aussagenlogik (Beispiele)

  1. Aus einer wahren Aussage kann – fehlerfrei – nur eine wahre Aussage gefolgert werden.
    Beispiel: Die Planze ist ein Klatschmohn. → Die Blüten der Pflanze sind rot.

  2. Aus einer wahren Aussage kann – nur fehlerhaft – eine falsche Aussage gefolgert werden.
    Beispiel: Die Blüten der Pflanze sind rot. → Die Pflanze ist ein Klatschmohn.

  3. Aus einer falschen Aussage lässt sich – fehlerfrei – eine wahre Aussage folgern.
    Beispiel: Vor Geburt sind die Kinder im Teich. → Die Kinder sind bei Geburt nass.

  4. Aus einer falschen Aussage lässt sich – fehlerfrei – eine falsche Aussage folgern.
    Beispiel: Vor Geburt sind die Kinder im Teich. → Die Kinder haben bei Geburt Kiemen.

Wir fassen diese „Erfahrungen“ in einer Tabelle zusammen, man nennt sie:

Wahrheitstabelle (Aussagenlogik)

12345678910 11 
AB¬A¬BA ∧ BA ∨ BA → B¬B → ¬AA ↔ B(A → B) ↔ (¬B → ¬A) 
WWFFWWWWWW 
WFFWFWFFFW 
FWWFFWWWFW 
FFWWFFWWWW 

SymbolBedeutung des Symbols
„ ¬ “Negation, ¬A ≡ non(A), der alternative Wahrheistwert der Aussage A; „non A“
„ ∧ “Konjunktion, logisch „und“, nur wahr, wenn beide Aussagen wahr; „A und B“
„ ∨ “Alternative, logisch „oder“, nur falsch, wenn beide Aussagen falsch; „A oder B“
„ → “Implikation, Folgerung; nur falsch, wenn aus Wahrem Falsches gefolgert; „wenn A, dann B“
„ ↔ “Äquivalenz, Gleichwertigkeit der Wahrheitswerte; „A genau dann, wenn B“
Man beachte Spalte 7: Nur wenn man aus einer wahren Aussage eine falsche folgert, ist die Implikation falsch. Aus einer falschen Aussage lässt sich nämlich sowohl eine wahre aber auch eine falsch Aussage richtig folgern!

Spalte 10 (die Äquivalenz) folgt aus dem Vergleich der Spalten 7 und 8.

Anwendung: Man möchte aus einer wahren Aussage A die Richtigkeit einer Aussage B beweisen. Man findet aber keinen (direkten) Beweis – wenn es ihn überhaupt gibt. Dann kann man versuchen, den „Beweis durch Widerspruch“ anzuwenden: Man nimmt an, die Aussage ¬B sei wahr. Wenn man daraus die Aussage ¬A folgern kann, so ist das ein Widerspruch zur Aussage A, die ja wahr ist. Also ist die Annahme, ¬B sei wahr, falsch, also ist B wahr und damit bewiesen! Diese Beweisart – auch „Indirekter Beweis“ genannt – beruht auf der Äquivalenz der Spalten 7 und 8 der Wahrheitstabelle, siehe Spalte 10.

Beispiele für Axiome

Aus der Mathematik: Körperaxiome
(z. B. rationale, reelle, komplexe Zahlen)

Gegeben sei eine Menge K mit Elementen a, b, c, …

Es gebe zwei Verknüpfungen in K, die je zwei
Elementen von K ein Element von K zuordnen.

Die eine Verknüpfung nennen wir „Addition“ und
beschreiben sie mit „ + “, die andere Verknüpfung nennen
wir „Multiplikation“ und beschreiben sie mit „ ∙ “.

Sind die folgenden Gesetze, die sog. Axiome, für alle
Elemente aus K erfüllt, so ist die Menge K ein Körper.
AdditionMultiplikation
Kommutativgesetz
a + b = b + aa ∙ b = b ∙ a
Assoziativgesetz
(a + b) + c = a + (b + c)(a ∙ b) ∙ c = a ∙ (b ∙ c)
Distributivgesetz
a ∙ (b + c) = (a ∙ b) + (a ∙ c)
Existenz zweier ungleicher neutraler Elemente
„ 0 “„ 1 “
so dass für alle a ⊂ K gilt:
a + 0 = aa ∙ 1 = a
Existenz inverser Elemente
Für alle a ⊂ KFür alle a ≠ 0 ⊂ K
gibt es ein Element
„ −a “„ 1∕a “
so dass gilt:
a + (−a) = 0a ∙ (1∕a) = 1
Man beachte: Nur Addition und Multiplikation sind erklärt, nicht aber Subtraktion und Division, wie man es doch in der Grundschule lernt. Subtraktion und Division sind demnach Rechentechniken, mittels der man eine Inverse addiert bzw. multipliziert. Zweckmäßig benutzt man dazu die gebräuchliche, abgekürzte Schreibweise: a − b statt a + (−b) und a∕b statt a ∙ (1∕b).

Beispiel aus der Physik: Newtonsche Gesetze (Axiome)
(„Axiomata, sive leges motus“)

Erstes Newtonsches Gesetz, Inertialgesetz, Trägheitsgesetz
„Ein Körper verharrt im Zustand der Ruhe oder der gleichförmigen Translation, sofern er nicht durch einwirkende Kräfte zur Änderung seines Zustands gezwungen wird.“
Zweites Newtonsches Gesetz, Aktionsprinzip, Kraft = Masse mal Beschleunigung
„Die Änderung der Bewegung ist der Einwirkung der bewegenden Kraft proportional und geschieht nach der Richtung derjenigen geraden Linie, nach welcher jene Kraft wirkt.“
Drites Newtonsches Gesetz, Actio und Reactio
„Kräfte treten immer paarweise auf. Übt ein Körper A auf einen anderen Körper B eine Kraft aus (actio), so wirkt eine gleich große, aber entgegen gerichtete Kraft, von Körper B auf Körper A (reactio).“